Von Schimschi Zahubi, Haifa
Daran denkt wieder keiner, doch es kann jeden treffen. Nein, kein
Opfer eines Anschlags, sondern Opfer seiner Neugier. Immerhin haben unsere
Vorfahren gute vierzig Jahre in der Wüste verbracht und dabei wohl gelernt,
wie man sich in ihr zu bewegen hat. Beim Versuch, diese genetischen
Fähigkeiten aufzuwecken, kann man sehr schnell verloren gehen... Doch zurück
zum Anfang.
An einem hübschen Tag in der ersten Novemberwoche wird das Automobil in
den Süden des Landes getrieben. Die Verkehrsstaus sind im Rückspiegel
verschwunden, vor dem Kühler die Weite der Wüste und dieses ordentliche Band
der asphaltierten Piste. Auf der Strasse mit der Nummer 171, die wenige
Kilometer vor Mizpe Ramon in Richtung Sinai abzweigt, begegnen einem kaum
noch Fahrzeuge. Langsam rutscht die Sonne ihre Bahn entlang, um die
Straßenbeleuchtung sanft auszuknipsen. Eigentlich sollte jetzt der Mond
scheinen. Stattdessen befindet man sich in rabenschwarzer Nacht, vor sich
der sparsame Lichtkegel des Autoscheinwerfers. Auf der Karte ist bei "Borot
Lutz" das Symbol für einen Zeltplatz eingetragen.
Schließlich taucht der Wegweiser mit dem gesuchten Hinweis auf, das Auto
biegt von der Strasse in eine gut gekennzeichnete Piste ab. Unter den Reifen
knirscht ein Gemisch aus Kiesel und Stein mit Sand unterlegt. Links und
rechts von der Piste haben irgendwelche Lebenslängliche eine Unmenge von
kinderkopfgroßen Steinen angelegt, einer neben dem anderen, als wäre es der
Randstein der die Strasse vom Fußweg trennt. Die totale Finsternis rührt vom
bewölkten Himmel, doch zuweilen bricht das Sternenfunkeln hindurch.
Schließlich gewöhnen sich die Augen etwas daran, und, auch wenn das Licht
ausgeschaltet würde, man könnte schemenhaft den Steinrand erkennen.
Das Vertrauen in die Fähigkeiten des Nachfolgers der Wüstenwanderer wird
jedoch nicht infrage gestellt, vielmehr wurde an die vielen Ausflügler
gedacht, deren Vorfahren keine Gelegenheit hatten ihre Wüstenerfahrungen
genetisch an ihre Nachkommen weiter zu geben. Das lag daran, das eben ein
großer Teil der Menschheit damals nicht das zweifelhafte Glück hatte, von
Gott durch die Ödniss des Sinai in das gelobte Land geführt zu werden.
Der Titel dieser Betrachtung sollte in die Irre führen. Denn, ein
Verirren in der Wüste ist heutzutage, sofern man sich innerhalb der Grenzen
Israels befindet, völlig unmöglich. Früher oder später stößt man auf
Hinweisschilder, und notfalls gelangt man an die Grenze zu Ägypten. Dort
abgewartet kommt alsbald eine israelische Grenzstreife und hilft weiter. Die
Gefahr in der Wüste liegt in der falschen Ausrüstung, zu wenig Trinkwasser,
oder, im Winter zu viel Wasser durch heftige Wolkenbrüche.
Überschwemmung nach einem heftigen Wolkenbruch
Der Zeltplatz bei "Borot Lutz" besteht aus mehreren Quadraten, die von
groben Steinwänden auf drei Seiten umgeben und von Strohdächern überbaut
sind. Darin kann man sein Lager aufschlagen. Ein schlichtes Feldbett mit
Schlafsack, schon kann man sich hinlegen und auf den Mond warten oder die
Sterne und Kometen beobachten - sofern man nicht direkt unter dem Strohdach
liegt. Während der Hochsaison gibt es sogar eine geöffnete Toilettenanlage.
Andernfalls sollte man seine "Produktion" in anständiger Entfernung zur
Schlafstätte ablegen, besser noch, mit einer kleinen Schaufel vergraben. Die
Ruhe wird jedoch öfters von Kampfflugzeugen gestört, die in dieser Gegend,
rund um die Uhr in Bewegung sind. Hat man Glück, dann kommt "Schmulik" zu
Besuch. Der menschenfreundliche Esel blickt einen aus seinen klugen Augen
an, bis man begreift, dass er heute noch nicht ausreichend gespeist hat, und
auch gegen menschliche Zuwendung nichts auszusetzen hätte. Irgendwo in der
Gegend verbringt er wohl seine Lebenszeit, und, sobald er Stimmen vernimmt,
versucht er sein Glück um seine Speisekarte zu erweitern.
Die Wasserlöcher in der Gegend sollten tunlichst nicht als Klo verwendet
werden. Meistens sind sie trocken, zuweilen jedoch, nach längerem Regen,
dienen sie den Tieren als Trinkwasserbecken, und gaben der Gegend ihren
Namen.
Nach einer langen Nacht kann man eine Wanderung durch die trockenen Wadis
unternehmen, oder aber, nach wenigen Minuten Fahrt die Alpaca Farm besuchen.
Unweit von Mizpe Ramon, umgeben von sanften Hügeln liegt diese großzügige
Anlage, einem Tierpark nicht unähnlich. Außer den menschenfreundlichen
Transporttieren aus den Anden werden auch Lamas, Pferde, Esel und Ziegen
gehalten. Auf Kamelen kann man reiten, auf Pferden Ausflüge in die Umgebung
unternehmen - und, für Freunde gut organisierter Urlaubstage gibt es auch
eine Webadresse: www.alpaca.co.il.
Schließlich ist es sehr empfehlenswert dort, in einem der Urlauberbungalows
einige Zeit der Erholung zu verbringen. Das reichhaltige Angebot sollte man
über die E-Mail abfragen, denn es verändert sich ständig.
Der Süden Israels sollte zum "Verlorengehen" einladen, denn, diese
Verbindung von Abgeschiedenheit, Naturgewalt, freundlichen Menschen und
Überraschungen jedweder Art ist schwerlich an anderen Orten in dieser
Konzentration zu finden.
Maktesh Ramon